Mittwoch, 11. Oktober 2023

 

"Vauban´s Wars" Belagerungen im 17./18.Jahrhundert



Schon vor etlichen Jahren bin ich auf diese Regeln gestoßen, die sich da aber noch in einer sehr frühen Planungsphase befanden. Dann habe ich noch ein bisschen an einem eigenen System für Belagerungen gebastelt. 

Als aber 2021/2022 das oben genannte Regelwerk von Eric Burgess fertig und komplett war, habe ich mir die pdf-Version gekauft. 

Aktuell habe ich dann endlich mal die Motivation gefunden, die Regeln nochmal durchzulesen und ernsthaft ein Testspiel zu starten.

Es soll sich um eine generische Belagerung irgendwann im spanischen Erbfolgekrieg drehen. Britische Truppen unter der Führung vom Duke of Marlborough himself belagern eine Festung an einem Fluss, die von französischen und bayrischen Truppen verteidigt wird.


Zum Regelwerk:

Das System basiert auf "Piquet: Field of Battle" und ist ein typisch amerikanisches, mit unterschiedlichen Würfeln je Truppentyp und konkurrierenden Würfen (z.B. Angreifer kämpft mit W10, Verteidiger würfelt W8 und die Differenz der beiden Würfel erhält der Unterlegene in Schadenspunkten. Bei 2-3 Schadenspunkten stirbt eine Base, wobei Standardeinheiten etwa 4 Basen groß sind).

Das Spiel arbeitet mit Kartenaktivierungen, der Angreifer (Belagerer) und der Verteidiger (Belagerter / Garnison) hat jeweils ein eigenes Kartendeck, das in diversen Belagerungsspielzügen mehrmals durchgespielt wird. Zwischen den Spielzügen haben beide Seiten die Möglichkeit, ihre Kartendecks noch ein wenig zu variieren.

Der Autor hat wirklich irgendwie an alles gedacht, was man mit großen Belagerungen in dieser Epoche Verbindung bringt: Schanzarbeiten, Annährungsgräben, unterirdischer Minenkrieg, Ausfälle, Bombardements von Truppen, Befestigungen und der Zivilisten in der Stadt, Entsatzarmeen, Spionage, Pulver- und Proviantversorgung sowie die Kriegsbegeisterung oder -müdigkeit der Stadtbewohner).

Es ist somit sehr umfangreich, detailliert und geht schon ziemlich in Richtung Simulation und bleibt trotzdem auch ein relativ flüssiges Spiel (wenn man etwas Erfahrung hat und weis was man machen kann)



Am Anfang gilt es erst einmal Schreibarbeit zu leisten, um die ganzen Versorgungswerte zu bestimmen, die zumeist auf diversen Tabellen ausgewürfelt werden. 


Auch Truppen und Offiziere werden gekauft und aufgestellt.


Hier die Verteidiger. Bestimmte Einheiten bekommt man umsonst wie z.B. den Governeur, einen General und ein schweres Festungsgeschütz pro Bastion.


Zwei zusammengestellte Belagerungsdecks. Blau für die Verteidiger und rot für die Belagerer.



Unten die Festung mit dem davor gelagerten weiträumigen Glacis. Am oberen Bildrand die Angreifer. Diese haben zu Spielbeginn immer schon die Circumvallation, d.h. den Belagerungsring geschlossen. 


Die zwei Bastionen, die in den Fluss ragen, "spielen nicht mit". Es können nur die oberen 3 Bastionen angegriffen werden. In der Stadt muss man noch den Standort des Hauptmagazines und einen Sammelplatz bestimmen. 


Die Angreifer drängen sich knapp außerhalb der Kanonenreichweite.


Der Duke of Marlborough höchtselbst ist zugegen. Links davon die Scots Guards (Garde)





Die Verteidiger haben sich so gut es geht verteilt. Wie man sieht, haben sie nicht genug Truppen, um die ganzen Verteidigungsanlagen zu bemannen. 


Eine Batterie besteht aus 1 Base, eine Infanterieeinheit aus 4 Basen. 


Ein vorgelagerter Ravelin mit einer leichten Artilleriebatterie.


Schwere Festungsgeschütze auf den Bastionen.




Vor der Umfassungslinie (1.Parallele) machen sich zwei Basen Sappeure daran, tüchtig zu schaufeln.



Und es geht los, mit dem Maximum an 6 Sappeur-Einheiten beginnen die Briten damit, gleich vier  Annährungsgräben (Approchen) im Zick-Zack-Kurs anzulegen. Britische Infanterie besetzt direkt dahinter die Gräben um die Sappeure zu schützen.



Und keinen Augenblick zu früh, den schon ziehen die Bayern einen Trench Raid. Zwei Basen der Verteidiger stürmen in einer Nachtaktion den Graben und fallen über die Sappeure her. Diese müssen sich mit Verlusten zurückziehen, aber die nahe britische Bewachung verhindert Schlimmeres.


Bald darauf ereilt weiteres Ungemach die Angreifer: ihr fähiger General Blood verstirbt plötzlich und unerwartet (Risiko 1 auf 1W20 ! Herzinfarkt ? Scharfschützen ? egal, tot ist tot).
Er wird später von einem neu ernannten Offizier ersetzt, aber dieser hat leider nicht mehr die Anführerqualität wie der Dahingeschiedene.


Ungerührt buddeln die Briten weiter und die Gräben nähern sich der Festung. 



Bald darauf legen sie die 2.Parallele an, um ihre schweren Belagerungskanonen näher an die Mauern heran zu bringen



Ein leichter britischer Mörser eröffnet das Feuer auf extreme Reichweite auf die Verteidiger am Glacis, aber (noch) ohne Effekt.


Fortsetzung Teil I (2.Belagerungsspielzug):                                                              (22.10.2023)



Die Briten haben die 2.Parallele so gut wie abgeschlossen und oben wird ein weiterer Annäherungsgraben vorgetrieben.


Auch die Verteidiger beginnen mit Schanzarbeiten (unten) um an einer seitlichen Position eine Geschützbatterie aufwerfen zu können, die dann die 2.Parallele mit Flankenfeuer bestreichen soll.


Die Belagerer haben zwei Geschützstellungen in der Mitte errichtet. Bald beginnen von dort die schweren Belagerungskanonen die vorderste Bastion zu beschießen (direktes Feuer auf die Bastionen und Wälle ist erst ab der 2.Parallele möglich. Aufgrund dem Design der Festungen besteht von weiter weg keine direkte Schussbahn, da die Mauern durch das Glacis gedeckt sind.)


Ein französischer Spion wird im englischen Lager entdeckt, der versucht hat, einige Einheiten zur Desertation zu überreden. Er wird noch am gleichen Tag standrechtlich hingerichtet.


Die aggressiven Bayern (Regiment Kurprinz) starten einen groß angelegten Trench Raid.


Der Angriff auf eine der Belagerungsbatterien wird von der britischen Infanterie abgeschlagen.


Aber an dem vordersten Grabenabschnitt wachsen die Bayern über sich hinaus und töten den Trupp Sappeure und gleich noch ein Element der verteidigenden Rotröcke.


Die Moral der Belagerer leidet, die Briten müssen sich in die nächste Parallele zurück ziehen.


In einem weiteren Überfall kommen die Bayern mit eigenen Sappeuren und schütten den unverteidigten Grabenabschnitt zu. 



Beim nächsten Trench Raid sind die britischen Geschütze vorbereitet und geladen und schicken die angreifenden Bayern mit Verlusten zurück.


Zum Ende des 2. Belagerungsspielzuges buddeln die Belagerer wie wild und haben drei Gräben vorgetrieben. Der mittlere Graben hat das Glacis erreicht und kann bald von dort mit der 3. und letzten Parallele beginnen.


Fortsetzung Teil II (Schluss, 30.10.2023)

Ein Zufallsereignis im 3.Belagerungszug bewirkt, dass sich eine Entsatzarmee auf den Marsch macht, um die Belagerung zu brechen. Das heißt, dass die Belagerer automatisch verlieren, wenn sie nicht bis zum 6.Spielzug die Festung genommen haben !

... aber soweit sollte es nicht kommen ... 


Da die britischen Sappeure jetzt dem Glacis gefährlich nahe gekommen sind, unternimmt Rgt. Kurprinz einen erneuten Überfall...


... und scheitert grandios (blauer Würfel Bayern, roter Würfel Britain) !


Die Belagerer stehen jetzt in allen drei Annäherungsgräben.


Hier hat aber mal das bayrisch/französische Oberkommando geschlafen. In dem Verteidigungsgraben  unten haben die französischen Sappeure eine Geschützstellung angelegt, um den Angreifern in die Flanke zu schießen. Eine Durchforstung der Magazine ergibt aber, dass man keine passenden Kanonen dafür hat. Die überschweren Festungsgeschütze sind zu unhandlich zum Transport und mittlere Kanonen sind nicht vorrätig :-S


Rauch überzieht das Schlachtfeld, wenn beide Seiten aus allen Rohren schießen.


Die Belagerer beginnen mit der 3.Parallele auf dem Glacis, aber das Bresche schießen geht nur langsam vonstatten. Unten haben die Verteidiger, mangels passender Geschütze, den Ausfallgraben mit Infanterie besetzt, die die Briten im gegenüberliegenden Graben unter Musketenfeuer nehmen. 
Trench-Warfare Anfang des 18. Jhr.



Auch in der 3.Parallele werden britische Geschützstellungen installiert, die jetzt massiv Bresche schießen sollen. Aber die Nähe zu den Verteidigern macht es auch denen leichter, die Briten zu treffen.


Die Verluste häufen sich ....


... auf beiden Seiten.


Die Bayern machen die Scharte ihres letzten gescheiterten Ausfalls wett und zerstören hier sogar eine komplette Batterie.




Feuergefecht auf kürzeste Distanz. Wenn nicht die Gräben und Bastionen wären, würde hier kein Grashalm mehr stehen.



Unter den hohen Verlusten leidet die Moral beider Seiten. Die Verteidiger haben 12 von 17 Moralpunkten verloren, die Angreifer 27 von 30.


Die letzten britischen Reserve-Geschütze werden nach vorne gebracht. Auf kurze Distanz wird die Bastion beschossen, aber das Feuer ist zu schwach. Die Bastion hat erst 37 von 70 Schadenspunkten bekommen und erweist sich als sehr stabil.


Während die Verteidiger aus allen Rohren auf die Briten in den Gräben schießen.


Das Feld hat sich seeehr ausgedünnt. Beide Seiten haben kaum noch kampfbereite Truppen.
An der Spitze der Festung haben sich die Grenadiere beider Seiten quasi gegenseitig aufgerieben.
Und auch die schottischen Garden konnten keine Lücke in der Verteidigung finden.


Da der Belagerer über keine Trench-Raid-Karte verfügt, haben sich die Briten unten bis zur französischen Geschützstellung vorgebuddelt um dort den Gegner angreifen zu können...
 

...aber dazu sollte es nicht mehr kommen, denn keine Seite hat mehr Truppen für diesen Nebenschauplatz übrig.


Und so endet es: die Briten erreichen als erster ihr Siege-Moral-Points-Limit, während die Verteidiger davon noch knappe 3 Punkte entfernt sind. Die Briten könnten noch gewinnen, wenn es ihnen bis zum Ende des Spielzuges gelungen wäre, eine Bresche zu schießen. Aber dazu war ihr Feuer zu schwach und so bleibt dem Duke of Marlborough nichts anderes übrig, als sich geschlagen zu geben.

Die Festung hielt stand !


Nachbetrachtung:
Dass es den Briten nicht gelungen ist, eine Bresche zu schießen, liegt auch daran, dass die anfänglichen Ausfälle der Bayern relativ erfolgreich waren und ein schnelles Annähern der Belagerungsgräben verzögert haben. Dadurch war die Hälfte der schweren englischen Belagerungsartillerie über lange Zeit unnütz hinten rum gestanden und es ist den Briten erst recht spät gelungen, in der 2. und 3. Parallele Geschützstellungen anzulegen. 
Auf kurze Entfernung ist trotz aller Deckung das Feuer heftig und hat letztlich auch das Spiel entschieden. 
Die Verteidiger hätten noch die Möglichkeit, länger im Festungsgraben zu bleiben, da sie dort vor direktem Beschuss geschützt sind. Erst wenn die Gegner in Musketenreichweite sind, macht es eigentlich Sinn, auf die Feuerstufe im gedeckten Weg zu gehen. 
Die Angreifer haben diese Möglichkeit nicht, haben dafür aber auch doppelt so viele Truppen und Moralpunkte.   

Ich habe etwa 5 Stunden an diesem Szenario gespielt, aber dabei auch viel nachgelesen und nachgeschaut. Mit mehreren Spielern könnte das Spiel bestimmt schneller gehen, auch wenn man mehr in den Regeln drin ist. 
Aber es ist bestimmt kein System für mal kurz zwischendurch. Muss es aber auch nicht sein.

Alles in allem habe ich den Eindruck dass es ein sehr vielschichtiges Spiel ist, in dem jede Seite mehrere Möglichkeiten zu gewinnen hat. Auch scheint es, trotz allem Kartenzieh- und Würfelglück, ziemlich ausgewogen zu sein. Also ich freue mich schon auf das nächste Mal Vauban´s Wars









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